Anorganische Chemie ist eine frei verfügbare Einführung in die anorganische Chemie. Details zum Buch finden Sie im Editorial....


Hydrazin

Autor: Hans Lohninger

Hydrazin
Formel N2H4
CAS-Nr. 302-01-2
Molekulargewicht (1) 32.051 amu
Schmelzpunkt 2 °C
Siedepunkt 114 °C
Dichte 1.021 g/cm3

Hydrazin, N2H4, ist eine farblose, ölige, schwach nach Ammoniak riechende, giftige Flüssigkeit, deren Flüchtigkeit mit Wasser vergleichbar ist. Kommerzielles Hydrazin ist normalerweise Hydrazinhydrat, N2H4H2O, eine an der Luft rauchende, nach Fisch riechende Flüssigkeit.

Während Hydrazin bei höheren Temperaturen explosionsartig in Stickstoff und Ammoniak zerfällt, ist Hydrazinhydrat vergleichsweise beständig und kann in parafinierten Gefäßen jahrelang ohne Zersetzung aufbewahrt werden.

Hydrazinhydrat
Formel N2H4H2O
CAS-Nr. 7803-57-8
Molekulargewicht (1) 50.067 amu
Schmelzpunkt -51.7 °C
Siedepunkt 118.5 °C
Dichte 1.031 g/cm3

Hydrazin bildet mit Säuren Salze ("Hydraziniumsalze"), die je nach Stärke der Säure entweder N2H5+ oder N2H62+-Ionen enthalten. Das bekannteste Hydraziniumsalz ist das Sulfat, N2H4H2SO4 bzw. [N2H6]SO4, das im Labor als Quelle für Hydrazin verwendet wird (Erwärmung mit Kalilauge setzt Hydrazinhydrat frei, Erwärmung über festem NaOH setzt das wasserfreie Hydrazin frei).

Hydrazin ist ein starkes Reduktionsmittel und reagiert mit Sauerstoff und anderen Oxidationsmitteln unter beträchtlicher Wärmeentwicklung. Hydrazin und seine Derivate werden deshalb als Raketentreibstoff verwendet (Oxidation mit Wasserstoffperoxid oder Distickstofftetroxid).

Weiters werden Hydrazinderivate zur Produktion von Pharmaka und Herbiziden eingesetzt. Geringe Mengen von Hydrazin im Speisewasser von Dampferzeugern dienen als Korrosionsschutzmittel, da das Eisen(III)oxid zu hartem Fe3O4 reduziert wird.

Herstellung
Die industrielle Herstellung von Hydrazin erfolgt nach dem Raschig-Verfahren durch Oxidation von Ammoniak mit Natriumhypochlorit:

HClO + NH3 H2O + NH2Cl
NH2Cl + NH3 N2H4 + HCl

Von den beiden Teilreaktionen läuft die erste sehr schnell ab (im Mikrosekundenbereich), die zweite nur sehr langsam (im Stundenbereich). Unangenehmerweise reagiert das gebildete Hydrazin mit Chloramin weiter zu Stickstoff und Ammoniumchlorid:

N2H4 + 2 NH2Cl N2 + 2 NH4Cl

Da diese Reaktion schneller als die Bildung von Hydrazin abläuft, versucht man zur Ausbeutesteigerung einen Überschuss von Ammoniak zuzugeben und die Temperatur zu erhöhen (die Bildung von Hydrazin wird durch höhere Temperaturen stärker beschleunigt als dessen Weiterreaktion mit Chloramin). In der Praxis wird zuerst die gekühlte Hypochloritlösung mit der stöchiometrischen Menge an Ammoniak zu Chloramin umgesetzt und dann im zweiten Schritt ein großer Überschuss an Ammoniak eingepresst. Dabei wird die Temperatur bis auf 130°C erhöht, was die Hydrazinbildung in wenigen Sekunden abschließt. Das gebildete Hydrazin wird nach Abdampfen des überschüssigen Ammoniaks zu Hydrazinhydrat destilliert.

Neben dem Raschig-Verfahren werden in der Industrie auch noch das Bayer-Verfahren (Oxidation mit Natriumhypochlorit und Bildung eines Ketazins durch Zusatz von Aceton; das Ketazin lässt bei 10 bar und 180°C zu Hydrazin hydrolysieren) und das Pechiney-Ugine-Kuhlmann-Verfahren (Oxidation des Ammoniaks mit Wasserstoffperoxid und Bildung eines Ketazins durch Zusatz von Methylethylketon) eingesetzt.



Last Update: 2013-09-03