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Schmelzdiagramme von Zweistoffsystemen

Autor: Hans Lohninger

Bei Zweistoffsystemen kennt man einige Basistypen von Legierungen, die sich durch ihr Lösungsverhalten (Mischbarkeitsverhalten) im festen Zustand unterscheiden: vollständige Löslichkeit, vollständige Unlöslichkeit, partielle Löslichkeit und Verbindungsbildung. Das Lösungsverhalten der Legierungen äußert sich durch ein jeweils charakteristisches Schmelzdiagramm.

Vollständige Mischbarbeit im festen Zustand
Das einfachste Verhalten eines Zweistoffsystems liegt vor, wenn die beiden Stoffe A und B nicht nur im flüssigen, sondern auch im festen Zustand beliebig mischbar sind. Beispiele dafür sind Kupfer/Nickel oder Germanium/Silizium.

Zur Erklärung des Verhaltens einer solchen flüssigen Mischung beim Abkühlen, nehmen wir an, dass das flüssige Gemisch eine Zusammensetzung von x' und eine Temperatur von T' aufweist. Kühlt man diese Mischung ab, so werden sich bei der Temperatur Tliq die ersten festen Kristalle ausscheiden. Diese weisen eine Zusammensetzung von xliq auf, sind also reicher an Stoff B als die Schmelze. Dadurch wird der Schmelze der Stoff B entzogen, wodurch die Zusammensetzung der Schmelze bei weiterer Abkühlung entlang der Liquiduskurve nach links wandert. Erreicht die Temperatur den Wert Tsol ist die gesamte Schmelze erstarrt, die letzten sich noch bildenden Kristalle weisen eine Zusammensetzung von x' auf.

Dieser Vorgang des Erstarrens setzt voraus, dass die bereits gebildeten Kristalle immer im Gleichgewicht stehen. Da neu auf den Kristallen abgeschiedene Schichten eine leicht veränderte Zusammensetzung haben (entsprechend der Soliduskurve bei der jeweiligen Temperatur), muss sich die Zusammensetzung des Kristalls durch Diffusionsvorgänge ausgleichen können. Dieser Ausgleich der Zusammensetzung erfolgt naturgemäß nur sehr langsam, was bedeutet, dass die Abkühlung extrem langsam vor sich gehen muss. Kühlt man die Schmelze schneller ab, so kann die ausgleichende Diffusion nicht Schritt halten. Dadurch ist am Punkt Tsol die Konzentration des Stoffes B zu hoch (Punkt b) und entsprechend in der Schmelze zu niedrig (Punkt a) - was zur Folge hat, dass die Schmelze unter den theoretischen Erstarrungspunkt Tsol auf Tdep abgekühlt werden muss, bis sie zur Gänze erstarrt ist.
Vollständige Unmischbarkeit im festen Zustand
Bei gänzlicher Unmischbarkeit der festen Phase bildet sich ein spezieller Punkt im Schmelzdiagramm aus, das sogenannte Eutektikum. Das Eutektikum ist durch den Schnittpunkt der beiden Liquiduskurven bestimmt. Beispiele für dieses Verhalten sind die Systeme Antimon/Blei, Silber/Blei, oder auch Silbernitrat/Wasser.

Kühlt man ein im festen Zustand unmischbares Zweistoffsystem der Zusammensetzung x' ab, so scheidet sich beim Erreichen der Temperatur Tliq reines B ab, wodurch die Schmelze ärmer an B wird und sich der Erstarrungspunkt entlang der Liquiduskurve nach links verschiebt bis der eutektische Punkt E erreicht ist. An dieser Stelle erstarrt die gesamte restliche Schmelze ohne weitere Änderung der Temperatur. Das Eutektikum verhält sich also wie eine Reinsubstanz, es erstarrt nicht innerhalb eines Intervalls, sondern bei einer definierten Temperatur TE.
Partielle Mischbarbeit im festen Zustand
In vielen Fällen sind die festen Phasen nicht vollkommen unmischbar, sondern es gibt eine begrenzte Löslichkeit sowohl von Stoff A in B, als auch umgekehrt (z.B. Kupfer/Gold). Dadurch ergeben sich im Phasendiagramm drei Bereiche für den festen Zustand: im Bereich α ist Stoff B in A gelöst, im Bereich β A in B, und im Bereich α+β existieren zwei gesättigte feste Lösungen (A in B und B in A) nebeneinander.

Kühlt man eine Schmelze der Zusammensetzung x' von der Temperatur T' ab, so erscheint bei der Temperatur Tliq zum erstenmal eine feste Phase, die eine Zusammensetzung von xliq aufweist (gesättigte feste Lösung von Stoff A in Stoff B). Bei weiterer Abkühlung verschiebt sich die Zusammensetzung der Schmelze nach links, so dass bei der Temperatur TE (die eutektische Temperatur) die Schmelze die eutektische Zusammensetzung xE aufweist. An dieser Stelle erscheint in der festen Phase zum ersten Mal auch eine feste Lösung des Stoffes B in Stoff A der Zusammensetzung x; die feste Lösung von A in B weist die Zusammensetzung x auf. Kühlt man die nun zur Gänze erstarrte Schmelze weiter ab, so stehen jeweils gesättigte feste Lösungen α und β im Gleichgewicht und bilden ein Gemenge der entsprechenden Kristalle.
Verbindungsbildung im festen Zustand
Falls die beiden Substanzen A und B eine Verbindung bilden (wie z.B. im System Magnesium/Zink bei der sich MgZn2 bildet), sieht man sehr oft Schmelzdiagramme, die formal aus einer Aneinanderreihung zweier Schmelzdiagramme mit Eutektikum (TE1 und TE2) bestehen. An der Verbindungsstelle der beiden Diagramme entsteht ein Maximum der Liquiduskurve, das man Dystektikum nennt. Das Dystektikum D entspricht der im festen Zustand entstehenden Verbindung mit der Zusammensetzung xD.




Last Update: 2013-08-08